Corona-Virus in Deutschland

Spahn verlässt sich im Ernstfall auf die Freiwilligkeit der Pflegekräfte

 

Die heutige Pressekonferenz des Bundesgesundheitsministeriums hatte mehrere spannende Aussagen zu bieten.

Zum einen wird das Risikopotenzial durch Corona in Deutschland nun auf „mäßig“ eingestuft. Die EU sieht das augenscheinlich anders und vermeldete soeben ihre Einschätzung als „hoch“.

In Anbetracht der Tatsache, dass die erwiesenen Infektionsfälle in den letzten Tagen sprunghaft anstiegen, bundesweit immer noch große Unklarheit über Testmöglichkeiten und Zuständigkeiten herrscht und ausgewiesene Experten mit einem Infektionsrisiko der Gesamtbevölkerung von 60-70% rechnen, ist eher die Einschätzung der EU zu teilen. Die kommenden beiden Wochen werden das mit einem weiteren starken Anstieg der Infizierten unterstreichen.

Natürlich ist trotz all dieser Punkte Panik kein guter Ratgeber. Völlige Sorglosigkeit oder gar Spott allerdings ebenfalls nicht.

Denn noch ist gar nicht so viel über das neuartige Virus bekannt und viele Fragen sind noch zu klären. Wiederholungsansteckungen werden z.B. als erheblich gravierender eingeschätzt, da das Virus, ähnlich dem Dengue-Fieber, offensichtlich die Eigenschaft besitzt, durch Antikörper der Erstinfektion noch verstärkt zu werden.

So rechnet die Bundesregierung in ihrer eigenen Pandemieprognose von 2012 (Drucksache 17/12051) auch mit wenigstens drei Erkrankungswellen.

Wie wenig man tatsächlich vorbereitet ist und mit welcher Ambivalenz man gegenüber der Bevölkerung argumentiert, zeigt sich nicht nur am bestätigten Fall aus Berlin, der nur durch Zufall und zuvor abgelehnten Tests auffiel und Kontakt zu mindestens 60 Personen hatte, sondern auch an bundesweit fehlender Ausstattung.

Dabei wurden entsprechende Mittel erst vor kurzem in einer Größenordnung mehrerer Tonnen nach Asien versandt.

Händewaschen allein wird älteren und vorgeschädigten Risikogruppen jedoch kaum helfen und der Bezug von Mundschutzen und Desinfektionsmitteln ist bereits jetzt nahezu unmöglich geworden. Die von Spahn vorgeschlagene Lösung, Apotheken sollen solche Mittel einfach selbst ansetzen, kollidiert jedoch mit einer EU-Biozidverordnung, welche vom Apothekenverband schon lange kritisiert wird.

Untermauert wird diese „Nicht-Vorbereitung“ dadurch, dass in NRW erst letzten Freitag darüber beraten wurde, ob Apotheken ihre Kompetenz zur Herstellung nutzen dürfen.

Aber nicht nur dort macht es sich unser Gesundheitsminister etwas zu leicht. So zeigte er sich davon überzeugt, dass im Falle einer Verschlimmerung der Situation das Pflegepersonal freiwillig zu Mehrleistungen bereit sei.

Natürlich ist es das, denn wer diesen Beruf trotz der immer schlechter werdenden Rahmenbedingungen heute noch ausübt, tut dies aus Überzeugung und mit klarem moralischem Kompass. Dafür gilt unseren Pflegekräften auch einmal deutlicher Dank ausgesprochen!

Dass in Notsituationen Überstunden auch einfach angeordnet werden können, erwähnte Spahn jedoch nicht. Stattdessen rühmte er sich erneut der von ihm initiierten Maßnahmen für mehr Pflegekräfte und dass alles nicht am Gelde läge. Und nein, am Geld scheint es in der Tat ebenso wenig zu liegen, wie am Umstand, dass Spahns Stellenaktionismus nur für neu geschaffene Stellen gilt und jene, die bereits seit Jahren unbesetzt sind, auch weiterhin unbesetzt bleiben, weil, wie so oft, nur Symptome statt den wirklichen Ursachen im Pflegeumfeld angegangen werden.

Dank gilt ebenfalls insbesondere Herrn Prof. Dr. Drosten, welcher in sehr ruhiger sowie sachlich-rationaler Art und Weise die Situation zusammenfasst und die Variablen für Prognosen benennt.

Hier zeigt sich, wie wichtig eine fundierte Ausbildung und berufliche Erfahrungen sind, die man sich heute einmal mehr an der Spitze unseres Gesundheitsministeriums wünschen würde.

Es wird also künftig kritisch und vollumfänglich darüber zu reden sein, welche Grundstoffversorgungen etc. wir aufgrund von maximaler Kosteneffizienz ins Ausland auslagern und welche Kompetenzen besser in eigener Hand bleiben sollten.

In Zeiten, in denen der Staat sich auf die Freiwilligkeit seiner Bürger verlassen will, gleichzeitig aber höchste Steuereinnahmen einfordert, ist das Hinterfragen der Strukturen und die Verwendung der Gelder sowieso dringend geboten.