Erdogan spielt mit Menschen und Europa – Deutschland schaut zu

Erdogan erpresst ganz Europa – und die Deutschen schauen zu.
Die Kanzlerin hat auf den türkischen Präsidenten gesetzt, einen Plan B gab es im Kanzleramt nicht. Weil Merkel keine hässlichen Bilder an der eigenen Grenze wollte, hieß der Deal: ich gebe dir Geld, und du hälst die Flüchtlinge zurück. Ob dabei jemals auch über realistische Perspektiven für die Menschen gesprochen wurde, ist nicht überliefert.

Vielleicht hat sie auch darauf gehofft, dass diese Vereinbarung erst für ihren Nachfolger zum Problem wird. Wie so oft steht die deutsche Politik jetzt nackt da: ähnlich wie bei der Energiewende, ähnlich wie bei der Schuldenkrise, ähnlich wie beim Coronavirus.

Deutschland hat wichtige Jahre verloren. Jahre, in denen man die Außengrenze hätte stärken können, statt Klimaprojekte voranzutreiben. Jahre, in denen man das europäische Projekt als echtes Gemeinschaftsprojekt vorantreiben hätte können, statt sich dauernd zu bemühen, andere zu übervorteilen. Frontex ist als EU-Schutz immer noch nicht bereit. Gerade mal 400 Mitarbeiter werden ins griechische Evros geschickt, um die Situation stabil zu halten. Das ist angesichts der Herausforderung an der griechisch-türkischen Grenze ein Tropfen auf dem heißen Stein.

So stehen wir heute auch vor einer Grundsatzfrage der EU. Udio di Fabio, Richter a.D. am Bundesverfassungsgericht, hat einmal bei einem Vortrag gefragt: „Was nützt der Oma die höhere Rente, wenn sie zuhause nicht sicher vor Einbrechern ist?“ Damit pauschalisierte er natürlich nicht jeden Zuwanderer als Kriminellen, sondern metaphisierte: Was nützen den Griechen die Brüsseler Geldhilfen, wenn sie gleichzeitig nicht auf ein sicheres europäisches Haus vertrauen können?

Die Medien beginnen bereits, Griechenland moralisch anzugreifen. Aber wofür? Dass Griechenland EU-Recht verteidigt? Und es wird gar noch abstruser, in dem sich Stimmen mehren, die ernsthaft behaupten, Erdogan führte den Krieg in Syrien für uns.

Nein, heute wird Europa in Griechenland verteidigt – nicht gegen Migranten, sondern gegen einen autoritären türkischen Staatschef, der den Kontinent erpressen will. Der dafür im Zweifelsfall auch über Leichen geht, der Deutschland mittels der Doppelstaatsbürgerschaft als türkische Diaspora betrachtet, der über DITIB, graue Wölfe und jüngst geplante eigene Bildungseinrichtungen ganz aktiv Parallelstrukturen schafft.

Die türkische Intervention in Syrien hat man nur deswegen toleriert, weil Erdogan Millionen Menschen in anatolischen Lagern vom Weiterreisen abhielt. Jetzt nutzt Erdogan Menschen als Druckmittel, damit die NATO seinen Krieg unterstützt.
Niemand spricht über seinen Völkerrechtsbruch oder hinterfragt seine Großmachtambitionen, für die er gerne mit den widerlichsten Gestalten des IS paktiert.
So laufen im Grenzgebiet religiöse wie ethnische Säuberungen vor unseren Augen ab – nur keiner schaut hin.

Der österreichische Kanzler Sebastian Kurz hat deswegen ganz richtig gesagt: vor einer Woche gab es keine humanitäre Krise in der Türkei, es gab auch keine Probleme an der EU-Außengrenze. „Der Ansturm ist organisiert“, es handelt sich um eine „gezielten Angriff“ gegen das kleine Nachbarland. Zum Vergleich: Griechenland hat 10 Millionen Einwohner, die Türkei 80 Millionen. Jeder kann sich ausmalen, was es für das gebeutelte Mittelmeerland bedeutet, wenn Erdogan ankündigt, dass sich 4 Millionen Menschen auf den Weg machen könnten. Es geht um nichts anderes als die nackte Existenz des griechischen Staates.

Wenn die EU für irgendetwas gegründet wurde, dann um in solchen Situationen endlich zusammenzuhalten.