Bis letzten Montag hat der Rohingya-Konflikt nicht nur die mediale Berichterstattung über Myanmar geprägt. Auch die Politik machte ihre Haltung zu dem südostasiatischen Land nahezu ausschließlich von den Ereignissen in der Arakan-Region abhängig.
Der Westen hat dabei eine Ausgrenzung Myanmars betrieben und wie so oft dominierten Doppelstandards. Auch Deutschland grenzte Myanmar aus – ob durch diplomatische Gesten oder Kommunikationsboykott. Als im Bundestag über Anträge gegen das Land gestritten wurde, waren Frauke Petry und ich die einzigen, die proaktiv hinterfragten. Weder machte man sich die Mühe, das Gesamtbild hinter den Vorgängen verstehen zu wollen – noch verstand man, dass die von der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi geleitete Zivilregierung selbst nicht konnte, wie sie wollte. Das Land leidet noch heute unter den Folgen jahrzehntelanger Militärherrschaft und hermetischer Abgeschottung.
Suu Kyi hatte nur ein paar Jahre, um die neu gewonnenen demokratischen Grundlagen im Vielvölker- und Vielreligionenland zu etablieren. Die Machteliten aber blieben, ebenso wie ihre Strukturen.
Nicht nur in Arakan, überall in Myanmar gab es Probleme mit Ethnien und Religion. Rund 130 Volksgemeinschaften zählt das Land, das früher nur mit Armeegewalt zusammengehalten wurde. Suu Kyi setzte auf Versöhnung und Zentralisierung. Und tatsächlich, es gelang, die vielen Gruppen mit ihren individuellen Eigenschaften auf einen demokratischen Konsens zu vereinen. Aber das klappte nicht überall. Doch statt aufzuklären und zu verstehen, in welcher fragilen Situation Suu Kyi schwebte und dass sie internationalen Rückhalt benötigt hätte, um sich langfristig gegen das auf Revanche lauernde Militär durchzusetzen, hat man kaum bis gar nicht reagiert.
Schlimmer noch, beim einem früheren Asiengipfel erschien der damalige Außenminister Gabriel nicht nur zu spät, sondern düpierte die Regierung Myanmars mit Nichtbeachtung im eigenen Land, indem er nach der Landung direkt ins Hotel und am nächsten Tag ohne jeden Dialog weiterreiste. Welch ein Affront gegenüber der asiatischen Mentalität.
So häuften sich die Signale für die Generäle, dass sich niemand einmischen würde, wenn sie wieder nach der Macht greifen würden. Und es ist auch nicht auszuschließen, dass auch China seinen Segen dazu gab. Die einstige alte Schutzmacht des Landes, welches sich nach der Öffnung dem Westen annähern wollte, hat schließlich ganz eigene geostrategische Interessen in dieser Region.
Vorigen Montag hat die Militärführung nun die Macht zurückerobert. Suu Kyi wurde unter Hausarrest gestellt – wie so oft in ihrem Leben, welches von 30 Jahren Kampf gegen dieses Regime gekennzeichnet war. Wie es mit ihr weitergeht, ist fraglich. Zuerst wollte man sie des Hochverrats anklagen – wofür Ihr die Todesstrafe droht. Nun suchen die Militärs noch nach anderen, vorgeschobenen, Gründen.
Sofort verfolgt das Militär wieder die bekannte rigide Abschottungspolitik. Facebook ist mittlerweile in Myanmar nicht mehr erreichbar, Twitter und andere Nachrichtendienste sind blockiert. Auch der Präsident wurde in Gewahrsam genommen. Für ein Jahr soll das Militär die Macht im Land ausüben. Das Schicksal von Suu Kyi bleibt ungewiss.
Humanismus, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie waren in außenpolitischen Fragen stets die Leitlinien deutschen und europäischen Handelns. Gerade hier ist nun der Wille des Volkes unbestritten klar, indem, von Wahlbeobachtern eindeutig bestätigt, die absolute Mehrheit bei Novemberwahl 2020 für Suu Kyi stimmte.
Wenn wir selbst glaubhaft und integer bleiben wollen, sind wir nachdrücklich aufgefordert, unseren Beitrag zu leisten, dem Ergebnis dieser freien Wahlen zur Geltung zu verhelfen und das Land beim weiteren Weg hin zu Freiheit und Demokratie nach Kräften zu unterstützen.